On the road. On the go. On the move. Nicht umsonst haben die Amerikaner so viele Umschreibungen für das Unterwegs sein.Wer schon einmal auf einem Highway gen Westen fuhr weiß, dass dies mehr alsreine Fahrerei ist. Und kommt immer wieder.
Doch auch für Debütanten bieten die USA bekannte und unbekannte Highlights im weiten, wilden Westen. Und was eignet sich zum Entdecken besser, als die amerikanische Reise-Art schlechthin: eine Tour mit dem Wohnmobil durch einzigartige Landschaften, grandiose Szenerien undunvergessliche Städte.
Ja, man kennt – fast – alle Stationen einer solchen Reise durch den Westen der USA, auch wenn man nie dort war. TV, Soical Media, Fotos von Freunden. Lohnt es sich tatsächlich noch, dort selbst hinzufahren? Nur um das Original zu erleben? Als ich meine erste Amerikareise vor 30 Jahren machte, war noch alles sehr aufregend. Bekannt waren nur Vorstellungen, die durchs Fernsehen übertragen wurden. Und die wollte ich bestätigt wissen. Mit einem kleinen Auto und Zelt ging es damals quer durch das Land. Von West nach Ost. Rund 10.000 Kilometer. Und ich wurde infiziert. Von der Vielfalt, den Gegensätzen, den Naturmonumenten. Vom Auf und Ab dieses Landes in dem nichts für die Ewigkeit zu entstehen scheint, alles ständig im Aufbruch und doch auch beständig ist. Wo der Rentner in Shorts und Sandalen sein Frühstück bei McDonalds einnimmt und tätowierte Harleyfahrer ihn freudig begrüßen. Und wo die Kassiererin immer fragt „How are you?“ und andere Angestellte die Einkäufe in die Tüte packen. Wo Einschränkungen und Freiheit so nah beieinander liegen. Viele Jahre und Reisen später bin ich immer noch USA-Fan. Doch heute mag ich es ein wenig komfortabler und bin am liebsten mit Mietwagen oder als Camping-Fanmit dem Wohnmobil unterwegs.
Heiße Wüsten, rote Felsen, grüne Wälder
50 Grad im nicht vorhandenen Schatten. Die Luft flirrt vor Hitze. Den ursprünglichen Plan, hier im Tal des Todes zu übernachten, verwerfen wir nach einem kurzen Fotostopp wieder. Wir sind mitten drin, im Abenteuerspielplatz Amerika. Von Los Angeles ging es die California 1 hoch, vorbei an bezaubernden Buchten und Wellenreitern, mit Stopps an grandiosen Lookouts und bezaubernden Städtchen. Wir landen in Cambria inmitten der Parade zum Labour Day. Hunde in Union-Jack-Outfits, Senioren mit Klappstühlen an der Straße, das Bier im Kühlbecher neben sich, Blaskapellengruppen der örtlichen Highschools. Am Abend Live-Country-Musik auf einem kleinen Weingut. Hier treffen wir Henry und March. Auch sie sind per RV unterwegs – allerdings wirkt ihr Camper wie ein kleines Eigenheim auf Rädern. „Where are you guys come from? “ Hier hat man schnell Kontakt. Henry und March haben ihr Haus verkauft, als die Kinder erwachsen waren. Seitdem leben sie in ihrem Wohnmobil, bleiben da, wo es ihnen gefällt. Ins Death Valley wollt ihr? Im Spätsommer? Darüber schütteln sie nur den Kopf.
Im Tal von Yosemite teilen wir den Campingplatz (without facilities, also ohne Wasser, Strom oder Waschräumen) nur mit zwei älteren Herren. Unsere Nachbarn verbringen jedes Jahr einige Tage in der Wildnis. Small talk beim Spülen am Bach. Das Gefühl mitten in der Wildnis zu sein, ist unbeschreiblich. Und verlangt natürlich nach BBQ am Lagerfeuer. Nur die Suche nach einem Feuerzeug gestaltet sich schwierig. Aber unsere netten Nachbarn helfen sogleich aus und beschließen mit „Let ́s have a beer“ die Freundschaft.
In der Dämmerung erreichen wir Las Vegas. Lassen uns über „The Strip“ treiben, nehmen die ganze schrille, laute und doch faszinierende Stadt in uns auf. Nach so viel Natur in Yosemite und Seqouia, zwischen Wäldern, Bären und Seen durchaus eine Abwechslung. Nach ursprünglicher Wildnis ein künstlicher Kosmos mitten in der Wüste von Nevada. Von hier scheint es auf der Karte nur noch ein Katzensprung in die Welt der Canyons zu sein.
Wir glauben diese Welt des Wilden Westens zu kennen. Aus den Nachrichten, aus Filmen, von Country Songs. Doch beim ersten Blick in den Grand Canyon oder dem Gefühl der Unendlichkeit in der Wüste empfinden Sie nur Ehrfurcht vor diesen Wundernissen der Natur. Das ist es, was die Naturmonumente hier in Südwest so besonders machen: Die Sinne öffnen sich, machen Platz für Farbenspiele im Bryce Canyon, speiende Geysire in Yellowstone und einem immer wiederkehrenden Gefühl der Freiheit. An einem stillen See irgendwo an der 49 Richtung Fresno treffen wir eine amerikanische Familie. Ruhig ist es hier, es ist kein Ort, der in Reiseführern beschrieben ist. Wer mit offenen Augen durch das Land fährt, wird solche unberührten Flecken auch während der Hauptsaison entdecken. Ob wir lange für diese Reise sparen mussten, möchten sie wissen. Also sie hätten das Land noch nie verlassen. Ein Sonntag, hier am See, das wäre ihr Urlaub. Wir verbringen den ganzen Nachmittag zusammen, werden noch zum Barbecue eingeladen. Steaks holen wir beim Metzger im benachbarten kleinen Dorf. Sie sind vier Finger dick und haben in etwa die Größe einer Pizza. So wie alles in diesem Land einfach größer zu sein scheint.
Der Westen ist ein Eldorado an Nationalparks. Ein Naturwunder grenzt an das nächste und doch sind alle so verschieden. Der eindrucksvolle Mount Withney oder die Mammut Bäume im Sequioa Nationalpark. Die „Butte“ von Monument Valley oder die Dünen von White Sands. Die mannshohen Kakteen von Joshua Tree. Die Begegnung mit den Naturgewalten und diesen unermesslichen Weiten verdrängen Meldungen von Naturkatastrophen oder zweifelhaften Waffengesetzen. Manche von den Medien forcierte Themen verblassen bei der direkten Begegnung mit dem Land, sorgen für eine gewisse Nachvollziehbarkeit oder auch für Verständnis. Dass ein Farmer in Texas aufgrund von Begegnungen mit einer Klapperschlange eine Waffe im Schrank hat. Dass ein Angehöriger einer inidgenen Minderheit sein Überleben mit etwas dubiosen Methoden sichert. Oder dass es in Colorado im Coffee Shop Marihuana legal zu kaufen gibt, um illegale Deals in dunklen Gassen zu vermindern.
Als wir die lange Fahrt auf der Interstate 40 Richtung Los Angeles angehen, ist Ruhe eingekehrt. Hier braucht es keinen vorherigen Einkauf im Cannabis-Shop um den inneren Frieden zu finden. Die Fahrt durch diese steppenartige Landschaft hat etwas Meditatives. Wer ein wenig Abwechslung zu so viel Natur sucht, findet sie in alten, patriotischen Westernorten, auf dem Hollywood Boulevard in L. A. oder am Pier 17 in San Francisco. Der Geist der Vergangenheit zeigt sich in verfallenen Geisterstädten oder an der Route 66. Lebensart in den Graffitis von Venice Beach oder einem Rodeo in Flagstaff.
Doch egal, wohin es einen in diesem Land zieht – es gibt nichts, was es nicht gibt. Und jeder wird für sich fündig, nimmt eine Portion des American Way of Life mit und wird feststellen, dass vieles tatsächlich so aussieht wie im Fernsehen. Und vieles eben nicht. Nur eines fehlt bei einer Tour durch den Westen der USA immer: Zeit.
©Susanne Pinn